LeA spricht Marte Meo

Ideen für den Umgang mit Menschen mit Demenz, die nicht nur zu Coronazeiten hilfreich sind.
Von Sabine Graaf, Diplompädagogin, Martemeo Supervisorin und Ehrenamtliche Mitarbeiterin von LeA e.V.

Nein, Marte Meo ist keine Sprache. Aber man kann mit Marte Meo gut kommunizieren. Bei LeA e.V. in Bonn wird die Methode Marte Meo nun seit etwa drei Jahren von Betreuerinnen in der WGs, im Treff und beim häuslichen Entlastungsdienst sowie von Angehörigen und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen angewandt.
Marte Meo arbeitet mit einfachen und alltäglichen Elementen, die es ermöglichen, mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Besonders in krisenhaften Situationen kann die Anwendung der Marte Meo Elemente helfen, Ruhe zu bewahren und Unsicherheiten im Umgang mit den Menschen mit Demenz zu verringern.

Das Coronavirus und die damit verbundenen Einschränkungen von Kontakten und die Vorschriften zu Sicherheit und Hygiene haben viele von uns verunsichert und uns gezwungen, Dinge anders als gewohnt anzugehen. Für die Menschen mit Demenz, die von LeA betreut und begleitet werden, ist die Verunsicherung natürlich besonders groß.
Sie verstehen nicht, warum plötzlich alle Betreuungspersonen mit Mundschutz herumlaufen, die Angehörigen nicht zu Besuch kommen können und besonderer Wert auf Hygiene gelegt wird. Was bleibt, ist das Gefühl, dass sich alles ungewohnt und fremd anfühlt.

Ich habe mir daher überlegt, welche Marte Meo Elemente gerade jetzt besonders nützlich sein können, um den betreuten Menschen Sicherheit, Geborgenheit, Trost und Nähe zu vermitteln, damit wir alle mit ihnen zusammen die Krise gut überstehen.

Kontaktmomente und Anschluss machen

Beim Tragen einer Gesichtsmaske und bei räumlicher Distanz ist es noch wichtiger als sonst, bewusst in den Kontakt mit dem Gegenüber zu gehen. Der Kontakt wird über den Augenkontakt aufgenommen. Der muss eindeutig sein; es muss so zu sagen „klick“ machen. Dazu ist es notwendig, den Kontakt etwas länger als gewohnt zu halten und auch im Gespräch immer wieder aufzubauen. Kontaktmoment heißt, „ich sehe dich, ich nehme dich war, du bis mir wichtig!“

Gutes Gesicht und gute Töne

Hier geht es um das freundliche, offene und zugewandte Gesicht und die freundliche, warme Stimme. Auch hinter einer Maske kann man erkennen, ob jemand es nett mit mir meint oder eben nicht. Augen und Stimme machen die Stimmung, die zwischen zwei Menschen entsteht. Und wenn ich verstanden werden will, muss ich ruhig, langsam,
freundlich und mit klaren, einfachen Worten sprechen und mein Gegenüber dabei freundlich und wohlwollend anschauen.

Mich und mein Gegenüber benennen

Sagen, was ich denke, was ich fühle und was ich beim Gegenüber wahrnehme oder vermute. Das ist hier gemeint und erleichtert es, ins Gespräch zu kommen. Ich werde besser verstanden und mein Gegenüber fühlt sich wahrgenommen und geschätzt. Jeder Mensch möchte gesehen werden. Das gelingt besonders gut, wenn ich ihn auch immer wieder mit Namen anspreche.

Aufmerksam und zugewandt warten

Warten, Zeit geben, bis der andere soweit ist, ist ein ganz wesentliches Marte Meo Element. Menschen mit Demenz, oder eingeschränkten Alltagskompetenzen, sind nicht mehr so schnell. Sie brauchen länger, bis sie sich einlassen
können, bis sie verstehen, die passenden Worte zur Antwort finden. Wenn ich als Angehöriger oder Betreuungsperson zu schnell bin, also nicht warten kann, nehme ich dem anderen die Möglichkeit, dabei zu sein, einen Beitrag zu leisten, sich kompetent zu fühlen.

Freude und Gefühle teilen

Gemeinsam zu lachen, wenn etwas komisch ist, entspannt die Situation. Lachen, aber auch andere Gefühle zu teilen, schafft eine Verbindung von Mensch zu Mensch, die keine Worte braucht, um verstanden zu werden. Und es schafft Nähe, die trotz räumlicher Distanz, entstehen kann.

Wiederholen und Initiativen aufgreifen

Worte, Gesten, Aktionen des Gegenübers aufgreifen, vermittelt das Gefühl, verstanden zu werden und ernst genommen zu werden. Bei aller Unsicherheit, die im Moment herrscht, entsteht ein Stück Sicherheit und Wertschätzung. Außerdem entlastet es Betreuerinnen und Angehörige, weil sie nicht allein für die Situation verantwortlich sind. Wenn ich Initiativen aufgreife, oder gezeigte Gesten oder Worte wiederhole, nennt
man das in Marte Meo „folgen“. Menschen, denen ich in dieser Weise folge, werden es in anderen Situationen leichter haben, mir zu folgen und meine Anregungen oder auch Anweisungen zu befolgen.

Doppelte Informationen geben

Wenn das gesprochene Wort mit der Gestik unterstrichen wird, nennt man das in Marte Meo die doppelte Information. Mit dem Kopf schütteln, wenn ich nein sage; auf den Gegenstand zeigen, von dem ich spreche; den Waschlappen zeigen und sagen, was ich tue, bevor ich jemanden wasche, all das sind Beispiele für doppelte Informationen. Sie ermöglichen dem Menschen mit Demenz, mir zu folgen und es richtig zu machen.

In der Gruppe vernetzen

In einer Gruppensituation sind Menschen mit Demenz oft überfordert, den Überblick zu haben. Sie fühlen sich ausgeschlossen, einsam, obwohl Menschen da sind. Hilfreich ist es da, wenn Betreuerinnen oder auch Angehörige mit Worten oder doppelten Informationen Aktionen aufgreifen und benennen und damit die Brücke zu den anderen
Gruppenmitgliedern bilden. Alle fühlen sich nicht nur dabei, sondern mitten drin. Positiv leiten und bestätigen, wenn etwas gut klappt.

Mehrere von den oben genannten Marte Meo Elementen zu benutzen, führt dazu, dass die Menschen mit Demenz ihre Kompetenzen noch so weit wie möglich nutzen können und das Gefühl bekommen, noch etwas zu können. Ein wichtiges Gefühl, um sich wohl und am rechten Platz zu fühlen. Auch benennen, wenn etwas geklappt hat oder gelungen ist, kann dazu beitragen, eine gute Atmosphäre zu schaffen. Bestätigung tut uns allen gut und gibt Orientierung in unsicheren Zeiten. Eigentlich lebt die Methode Marte Meo von gelungenen Bildern aus Videoclips, die in Alltagssituationen z.B. in der LeA WG oder im Treff aufgenommen werden. Die Marte Meo Elemente werden anhand dieser Bilder erklärt und prägen sich als positive Beispiele ein. So können sie in anderen Situationen wieder abgerufen und genutzt werden. Durch die positive Lernerfahrung verfestigt sich die Verhaltensweise.
Dies fällt umso leichter, da die Marte Meo Elemente ganz natürliche Verhaltensweisen sind, die wir alle kennen. Die Erfinderin der Methode Marte Meo, die Niederländerin Maria Aarts, nennt dieses intuitive Wissen, die Goldmine, die jeder hat, aber oft erst durch Bilder und Anleitung nutzbar und abrufbar gemacht werden muss.

Bei LeA gibt es Gelegenheit dazu. Im Mitarbeiterteam und in der Angehörigenberatung wird mit Marte Meo gearbeitet. Auch Einzelberatungen sind nach Absprache in kleinem Umfang möglich und hilfreich.